VANstaltungen KW 13
31. März bis 6. April 2016
Jede Woche neu: unsere subjektiv zusammengestellte und ausschweifend kommentierte Übersicht über interessante Termine in den kommenden Tagen.
Festliche Tage Alter Musik mit dem Klangforum Wien
Ob etwas für einen als alt oder neu gilt, hängt immer vom eigenen Standort ab. Wenn das Klangforum Wien eine Konzertreihe »Festliche Tage Alter Musik« nennt, dann meint es damit nicht die Musik des Mittelalters, der Renaissance und des Barock, sondern »viele selten oder so gut wie nie zu hörende klingende Preziosen aus der Zeit von 1900–1950, die eine Brücke schlagen für die mit dem Zeitgenössischen nicht Vertrauten und den Kennern des Heutigen in der Musik erstaunlich neue Blicke auf die aktuellen Avantgarden bieten.« Arnold Bax, Josef Matthias Hauer, Rudolf Karel, Maurice Ohana, Roberto Gerhard, Lord Berners, Alfredo Casellas … das sind einige der Komponisten, deren Werke in den abschließenden drei Konzerten der Reihe diese Woche gespielt werden. Es gilt, alte Enden mit neuen Anfängen zu verbinden, Zeit für eine Entdeckungsreise.
1.-3. April Wien, Konzerthaus, Schubert- und Mozart-Saal
Dutilleuxs Cello
Henri Dutilleux, Grandseigneur der französischen Moderne, hätte dieses Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert, und in der Jubiläumskarawane fahren zwei Werke mit, die das Cellorepertoire des 20. Jahrhunderts um zwei Kleinode angereichert haben: Tout un monde lointain... für Cello und Orchester und Trois Strophes sur le nom de Sacher für Cello solo. Über das von Baudelaires Gedichtband Les Fleurs du Mal inspirierte Tout un monde lointain haben wir vor einiger Zeit bereits ausführlich in den VANstaltungen berichtet, diese Woche ist es Nicolas Altstaedt, der das Stück mit dem NDR Sinfonieorchester spielt. Und im 2x Hören Format im Berliner Konzerthaus übernimmt Johannes Moser die Einführung zu Trois Strophes sur le nom de Sacher gleich selbst, moderiert von Christian Jost.
Tout un monde lointain...
1. April Hamburg, Laeiszhalle
2. April Kiel, Schloss
Trois Strophes sur le nom de Sacher
4. April Konzerthaus, Werner-Otto-Saal
Powder Her Face in Meiningen
»Eine Oper von ..., in Musik gesetzt von ...« stand auf vielen Opernankündigungen im 18. Jahrhundert. Die Librettisten waren die angesehenen Dichter und großen Namen auf den Plakaten, die Komponisten eher Erfüllungsgehilfen. Der Ruf des Librettos hat seitdem ziemlich gelitten, dabei gibt es gerade in der Oper des 20. Jahrhundert so viel Großartiges. Beginnend mit Adelheid Wettes Hänsel und Gretel, über Béla Balázs Herzog Blaubarts Burg, Wystan Hugh Audens The Rake Progress, Ingeborg Bachmanns Der junge Lord, oder Myfanwy Pipers The Turn of the Screw. In diese Reihe gehört auch Philip Henshers Libretto zur Kammeroper Powder Her Face. Im Mittelpunkt stehen sechs Stationen aus dem glänzenden, wunden, wirren, tragischen Leben der »Dirty Duchess«, Herzogin von Argyll, Stilikone, Society Lady und Freidenkerin, deren Scheidungsprozesse die moralinsaure englische Mittelschicht und die Klatschpresse in den 1950er und 60er Jahren ausschlachtete. »In Musik gesetzt« wurde das Libretto vom bei der Uraufführung 1995 gerade mal 24jährigen Thomas Adès, für den die Oper der Durchbruch als Komponist war.
2. April Meiningen, Theater, weiterer Termin am 23. April
Lied Akademie mit Thomas Hampson beim Heidelberger Frühling
Um das, was Lehren und Unterrichten im Innersten zusammenhält, ging es bereits vor einigen Wochen in unserem Gespräch mit Thomas Hampson:
THOMAS MANN SAGT, ›DIE BERUFUNG, ANDERE ZU UNTERRICHTEN, RÜHRT NICHT VON EINER INNEREN HARMONIE HER, SONDERN VON INNEREN DIFFERENZEN, ZWIETRACHT UND SCHWIERIGKEITEN – VON DER SCHWIERIGKEIT, SICH SELBST ZU ERFAHREN.‹ WAS IST IHR ANSATZ BEIM LEHREN?
Ich würde es andersherum sehen. Lehren ist, vor allem für jemanden wie mich, der selber noch viel singt – und ich unterrichte schon seit 20 Jahren – wahnsinnig aufschlussreich. Sobald wir uns ein fokussiertes Vokabular erarbeitet haben, ermutige ich meine jungen Kollegen, sich gegenseitig zuzuhören und Wege zu finden, miteinander ins Gespräch zu kommen. Nach drei, vier Tagen unterrichten, singe ich immer besser. Denn dabei geht es nicht darum, Weisheiten nach unten weiterzugeben. Jeder Künstler ist unvollständig. Was ich an dem Zitat deshalb richtig finde, ist, dass es sich um einen Prozess handelt, den man gemeinsam sucht. Ich suche schon länger, als die, mit denen ich arbeite. Sie wollen in dieser Profession ihr Leben leben. Ich zeige ihnen, was ich gelernt habe, was ich weiß, auf was ich vertraue, was ich tun muss, um zu beweisen, dass ich nicht total verrückt bin. Hier sind die Geräte dafür. Irgendwie stimmt es wohl, dass Lehren bedeutet, Leuten beizubringen, sich selbst zu erziehen. Vor allem in der Welt der Sänger, in der es so viel Lehrer- und Coach-Hopping gibt. Wer hat da den magischen Schlüssel? Eigentlich sind es Schweiß, Plackerei, Tränen und fortwährende Unzufriedenheit (lacht). Als Künstler blühe ich auf bei Zurückweisung.
Lebendiger Zeuge vom gemeinsamen Suchen und Finden kann man diese Woche bei der Lied Akademie des Heidelberger Frühling werden, bei der neben Hampson auch Brigitte Fassbaender als Mentorin dabei ist.
3.–7. April Heidelberg, Ballsaal Stadthalle
Anna Vinnitskaya
Im Horrorfilm Die Bestie mit fünf Fingern (The Beast with five Fingers) von 1946 ist Chaconne für die linke Hand von Brahms das prominenteste Musikstück. Brahms transkribierte damit Bachs d-Moll Chaconne für Violine solo und wollte die Einschränkung des Instruments imitieren, eine Art von Risiko und Wagemut als Zugangsberechtigung setzen. Im Film geht es außerdem um Geld und Eifersucht. Die vom später im Film toten Pianisten abgetrennte Hand richtet im Schwarz-Weiß-Streifen von 1946 gelinde gesagt allerhand Unheil an, Menschen sterben. Ist es diese komische Imbalance, der unnötige Verzicht auf die Rechte, die Brahms’ Chaconne diesen etwas unheimlichen Charakter verleihen? Man fragt sich beim Hören jedenfalls ständig, wie macht sie das? Woher kommen diese Legati? Oder ist alles nur Einbildung? Vielleicht. Jedenfalls ist das Stück zu hören, wenn Anna Vinnitskaya, derzeit einer der Pianist/innen mit den heißgeliebtesten Intepretationen, ihr Konzert in Köln gibt. Sie spielt Brahms (aktuelle Platte), Schostakowitsch und Prokofjew. Danach folgen weitere Konzerte in Deutschland mit Klavierkonzerten von Bartók.
5.4. Köln, Philharmonie
12.4. Hamburg,
17./18.4. Kiel,
24.4. Berlin
Winterreise
»Da ist schon alles drin, was einen guten Song jemals ausmachte«, sagte ein Kollege neulich nach einem Konzert mit Schuberts Winterreise. Diese Aussage wäre mal eine Seminar-Diskussion wert. Rauszufinden, was da über den guten Song hinaus aber noch so alles drin ist, wäre dagegen mal einen Konzertbesuch wert, zum Beispiel in Köln. Das Set-Up ist leicht geändert und erweitert. Geändert, weil statt Pianoforte das Hammerklavier klingt, unter den Händen von Andreas Staier (hier lesen: VAN-Interview!); erweitert, weil Johan Simons, Intendant der Münchner Kammerspiele und der Ruhtriennale, eine Regie für eine szenische Aufführung entworfen hat. Und noch eine Erweiterung:
Als zeitgenössische Kommentare lässt das Ensemble intercontemporain an diesem Abend Klangvignetten entstehen, die Mark Andre für dieses Schubert-Erlebnis geschrieben hat. (Webseite der Kölner Philharmonie)
Es singt übrigens Bariton Georg Nigl (Bild).
3.4. Köln, Philharmonie
King Arthur in Zürich
Barockoper – komplexe Handlung, Musik ist Pop, so überspitzte es in VAN der Countertenor Max Emanuel Cencic. In Zürich gibt es gerade Purcells King Arthur zu hören und farbenfroh zu sehen, mit dem Orchestra La Scintilla, Laurence Cummings als musikalischem Leiter und der Regie von Herbert Fritsch. Mindestens ein Stück ist darin, das die Grenzen der Gattung und der Zeit (Uraufführung war 1691) schon lange verlassen hat und zum zeitlosen Bezugspunkt für viele Genres wurde, das Lied des Kältegeistes (Cold Song), hier gesungen von Klaus Noni.
Vorerst letzte Vorstellung am 1.4. Zürich, Opernhaus
Planeten, Kosmisches Chaos und bläuliches Licht
Wandel der Dimensionen: Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin schwingt sich mit den Frauen des Rundfunkchors auf. Zuerst das Formlose, die Vorstellung des Chaos aus der Schöpfung von Haydn; danach ein Sprung in die Zivilisation des Herzens: In lieblicher Bläue, ein Gedicht für Violine und Orchester, ist ein neues Stück von Julian Anderson und gerade auf Uraufführungstournee – es geht um Hölderlin.
Without being too programmatic about things, the violin represents the poet with all his various thoughts, feelings and impulses. The orchestra can provide a context for those thoughts – a context which may be radiantly luminous and supportive, or else indifferent, puzzled, quizzical or even hostile. Julian Anderson auf der Seite seines Verlegers
Danach Wurmloch: kosmische Perspektive. Es gibt die Planeten von Gustan Holst.
Am Vorabend findet übrigens vor der Aufführung von Holsts Zyklus die Preisverleihung des Remix-Contests zu Bruckners 4. Sinfonie statt. VAN berichtete.